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Strom gegen die Schmerzen

Interview mit Dimitri Döhl über die Anwendung der Spinal Cord Stimulation (SCS), einer Schmerztherapie, die das Rückenmark stimuliert.

Im Grunde genommen sind Schmerzen nichts Schlechtes. Sie dienen als ein Warnsignal und sagen uns, wenn irgendetwas mit unserem Körper nicht stimmt. So soll verhindert werden, dass wir unbemerkt größeren Schaden davontragen.

Bei manchen Menschen werden Schmerzen jedoch chronisch und sind immer noch da, auch wenn die eigentliche Ursache bereits behandelt und therapiert wurde. Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind solche chronischen Schmerzpatienten – bei einem Großteil treten die Schmerzen im Rücken- und Beinbereich auf.

Dimitri Döhl, seit rund zehn Monaten Sektionsleiter Neurochirurgie im Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar, kümmert sich unter anderem um solche Fälle. Im Team Orthopädie und Unfallchirurgie von Chefarzt PD Dr. Englert ist er erfahren in der Anwendung der Spinal Cord Stimulation (SCS), einer Schmerztherapie, die das Rückenmark stimuliert. Darüber haben wir mit ihm im Interview gesprochen.

Herr Döhl, wie geht es Ihnen in Ihrer noch recht neuen Arbeitsumgebung im Hospital zum Heiligen Geist?

Eigentlich bin ich ja bereits ein alter Bekannter im Krankenhaus Fritzlar, da ich hier bereits seit 2012 als Kooperationspartner tätig bin und einige Operationen in Zusammenarbeit mit dem Hospital zum Heiligen Geist durchgeführt habe. Es ist aber schön, nun ein fester Teil des Teams von Chefarzt PD Dr. Englert zu sein und mich komplett auf meinen Arztberuf konzentrieren zu können. Bei einer eigenen Praxis kommt ja doch deutlich mehr Bürokratie hinzu.

Welche Art von Patienten ist bei Ihnen in Behandlung?

Bei mir in Behandlung sind beispielsweise chronische Schmerzpatienten, die nach mehreren chirurgischen Eingriffen und Behandlungen durch den Schmerztherapeuten eigentlich austherapiert sind, aber dennoch große Schmerzen verspüren – etwa nach einem Bandscheibenvorfall oder bei Problemen im Bereich der Lenden- oder Halswirbelsäule. Dabei kümmere ich mich nicht nur um Schmerzen im eigentlichen Sinne, sondern auch um Missempfindungen beziehungsweise um neurologische Ausfälle wie etwa Taubheitsgefühle oder Kribbeln in den Beinen. So etwas bleibt oft bestehen, ein Bandscheibenvorfall kann nicht einfach zurückgebildet werden. Zudem entwickeln Patienten oftmals ein Schmerzgedächtnis, also gespeicherte Scherzerfahrungen. Um Schmerzen zu lindern, kommt das Verfahren der Spinal Cord Stimulation (SCS) zum Einsatz.

Um was für ein Verfahren handelt es sich dabei?

Den Patienten wird ein sogenannter Schmerzgenerator implantiert. Dabei handelt es sich um ein kleines Gerät, das der Rückenmarkstimulation dient und elektrische Impulse über Elektroden aussendet. Diese minimalinvasive Schmerztherapie ist das letzte Mittel, die chronischen Bein- und Rückenschmerzen bei den Patienten zu lindern, wenn auch nach der Behandlung durch einen Schmerztherapeuten keine Besserung aufgetreten ist.

Wie ist der Ablauf eines solchen Verfahrens?

Nach einer ausführlichen Besprechung teilt sich das Verfahren in zwei Operationen auf. Bei der ersten Operation werden zunächst Elektroden nah am Rückenmark implantiert und mit einem temporären Nervenschrittmacher verbunden, der leichte elektrische Ströme über die Elektroden leitet. Ziel ist es, dass der Patient dort ein Kribbeln verspürt, wo er zuvor Schmerzen empfunden hat.

Vor der endgültigen Implantation kommt es dann zu einer Art Testlauf, um sicherzustellen, dass das Verfahren den Schmerz auch wirklich lindert. Diesen Testlauf führen wir zunächst zwei Tage lang in unserer Klinik durch. Noch wichtiger bei diesem Test sind allerdings alltägliche Bewegungen – wie etwa beim Wäschewaschen, Staubsaugen oder Geschirr spülen. Daher nimmt der Patient das Gerät im Anschluss auch vier bis sieben Tage mit in die heimische Umgebung.

Wie bewerten Sie dann diese Testphase?

Von einem guten Effekt sprechen wir, sobald sich die Schmerzen halbiert haben. Das ist bei chronischen Schmerzen schon ein sehr guter Erfolg.

Meistens ist das Ergebnis nach der Testphase aber sogar deutlich besser, auch wenn man natürlich keine komplette Schmerzfreiheit versprechen kann.

Wenn die Patienten ihre Schmerzen vor dem Verfahren auf einer Skala von 0 bis 10 einordnen müssen, kommen sie meist mit einem Wert zwischen 7 und 9 zu mir – nach der Operation liegt der Wert dann in der Regel bei 2. Das bedeutet ein deutliches Plus an Lebensqualität für unsere Patienten.

Sie sprachen von einer zweiten Operation, wie läuft diese ab?

Bei der zweiten Operation wird dem Patienten in einem minimalinvasiven Eingriff dann der Impulsgeber für die Elektroden implantiert. In den ersten vier bis sechs Wochen nehmen wir dann weitere Einstellungen am Schmerzgenerator vor. Der Feinschliff sozusagen.

Und wie ist die Erfolgsquote?

Bei rund 90 Prozent der Patienten wirkt sich das Verfahren sehr positiv aus. Die Rückenmarkstimulation geht zwar nicht der Schmerzursache auf den Grund, doch ist in der Lage, die starken Schmerzen zu lindern und somit auch die Einnahme von Schmerzmitteln deutlich zu reduzieren.

Viele Patienten werden sogar nahezu schmerzfrei und können wieder Dinge tun, an die jahrelang nicht zu denken war. Eine Patientin erzählte mir etwa mal, dass sie nach zehn Jahren wieder schmerzfrei ins Kino gehen und die Zeit dort endlich wieder in vollen Zügen genießen konnte.

 

Zur Person:

Dimitri Döhl wurde 1970 in Kasachstan geboren. Nach seinem Studium in St. Petersburg kam er im Jahr 2000 mit seiner Familie nach Deutschland. Herr Döhl arbeitete in den renommiertesten Kliniken für Neurochirurgie in Deutschland und zuletzt in der europaweit bekannten Wickerklinik als Leitender Oberarzt, wodurch er eine fundierte Ausbildung erhielt. Im Jahre 2012 ließ sich Herr Döhl mit seiner erworbenen Fachkompetenz sektorenübergreifend als Kooperationsarzt und niedergelassener Arzt in Fritzlar nieder. Seit Oktober 2021 verstärkt Herr Döhl nun in Vollzeit das Hospital in Fritzlar, sowohl in Teilanstellung im MVZ als auch als Sektionsleiter Neurochirurgie der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Herr Döhl lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Fritzlar. Seine große Leidenschaft ist Eishockey. Dafür hat er für die Region eine allgemein zugängliche Eissporthalle gebaut.

 

Kontakt:

Hospital zum Heiligen Geist gGmbH
Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie
Am Hospital 6, 34560 Fritzlar
Tel.: 0 56 22 / 9 30 64 70
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