Pressemitteilung

Kleine Schnitte – große Wirkung

Dr. Mohssen vom Fritzlarer Hospital im Interview über die endovaskuläre Aortenaneurysmachirurgie

Von 100 000 Menschen erkranken jährlich etwa 40 an einem Aortenaneurysma. Besonders betroffen sind Menschen ab dem 65. Lebensjahr und Männer haben ein fünfmal höheres Risiko an einem Aortenaneurysma zu erkranken als Frauen. Das Tückische: Betroffene Patienten merken häufig nichts von dem Aneurysma, das in vielen Fällen eher zufällig im Rahmen einer Ultraschall- oder CT-Untersuchung entdeckt wird. Das Gute: Ein Aortenaneurysma lässt sich sehr gut behandeln und in der Klinik für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin am Fritzlarer Hospital zum Heiligen Geist ist eine Operation für den Patienten sehr schonend und risikoarm. Chefarzt Dr. Hamed Mohssen geht im Interview genauer auf die Erkrankung ein und erklärt, wie ein solcher operativer Eingriff abläuft.

Herr Dr. Mohssen, was genau versteht man unter einem Aneurysma?

Ein Aneurysma entsteht, wenn die Wand einer Arterie an einer Stelle nachgibt und sich mit der Zeit immer weiter nach außen wölbt. Diese Gefäßaussackung kann an verschiedenen Stellen im Körper auftreten, etwa im Gehirn oder in der Bauchschlagader. Die Bauchschlagader hat normalerweise einen Durchmesser von etwa zwei Zentimetern – wenn sich diese ausdehnt und lokal einen Durchmesser von mehr als drei Zentimetern erreicht, spricht man von einem Bauchaortenaneurysma.

Ist ein solches Aneurysma in der Bauchschlagader immer lebensbedrohlich?

Die meisten Bauchaortenaneurysmen bleiben tatsächlich unentdeckt und harmlos, da bei einer kleineren Ausdehnung keine begleitenden Symptome auftreten. Und wenn sich ein Aneurysma ausdehnt, dann meist nur langsam. Gefährlich wird es erst ab einem bestimmten Durchmesser – bei Frauen ab viereinhalb und bei Männern ab fünf Zentimetern. In solchen Fällen kann sich das Aneurysma durch Schmerzen bemerkbar machen, etwa im Bauch oder im Rücken, da die Hauptschlagader sehr nah an der Wirbelsäule liegt. Eine Ultraschalluntersuchung kann dann Aufschluss darüber geben, ob wirklich ein Aneurysma für die Schmerzen verantwortlich ist.

Wenn das Aneurysma eine kritische Größe erreicht hat: Wie sieht die weitere Therapie aus?

Wenn das Aneurysma auf eine gefährlich Größe angewachsen ist, stellt es für den Patienten ein lebensbedrohliches Risiko dar. Ein Riss der Bauchschlagader führt zu starkem Blutverlust, der wiederum Schwindel, Bewusstlosigkeit und einen Kreislaufzusammenbruch hervorufen kann. In diesem Fall muss natürlich sofort ein Notarzt gerufen werden. Damit es erst gar nicht zu einer solchen lebensbedrohlichen Situation kommt, ist ein operativer Eingriff die einzige Option.

Wie läuft eine solche Operation ab?

Glücklicherweise ist eine solche Operation an unserem Hospital mittlerweile sehr schonend und risikoarm für den Patienten, da sie aufgrund modernster Technik minimal-invasiv und endovaskulär durchgeführt werden kann. Früher war es der Standard, ein Aortenaneurysma offen zu operieren und an die betroffene Stelle ein Röhrchen aus Kunststoff zu platzieren, welches die Gefäßwand ersetzt. Dies bedeutete für den Patienten aber ein hohes operatives Risiko und führte neben einem langen Krankenhausaufenthalt ebenso zu einer temporären starken Einschränkung der Mobilität. Anders verhält es sich nun bei der endovaskulären Behandlung.

Was sind die Vorteile für den Patienten?

Die endovaskuläre Operation ist viel schonender und birgt weniger Risiken für den Patienten. Auch der anschließende Aufenthalt im Krankenhaus ist deutlich kürzer und der Patient ist bereits am nächsten Tag wieder auf den Beinen. Verbunden mit einem besseren kosmetischen Ergebnis im Vergleich zum offenen Bauchschnitt führen diese Vorteile zu einem deutlich erhöhten Komfort für den Patienten – bei einem gleichzeitig exzellenten Ergebnis, welches in der Regel ein Leben lang Bestand hat.

Gehen wir einmal ins Detail. Was genau geschieht bei einem solchen Eingriff?

Bei dieser schonenden endovaskulären Implantation wird eine speziell angefertigte Gefäßprothese über einen kleinen Einschnitt an der Leiste des Patienten bis an die erkrankte Stelle vorgeschoben, von innen über den erwakrankten Teil der Bauch- und Beckenschlagader positioniert und dort entfaltet. Die krankhafte Gefäßaussackung wird also durch eine im Gefäß positionierte Gefäßprothese ausgeschaltet – die Gefahr eines Risses ist somit gebannt. 

Wie finden die Patienten denn eigentlich den Weg ins Hospital?

Viele Patienten gehen mit entsprechenden Schmerzen zunächst zu ihrem Hausarzt und werden von dort aus an unser Hospital überwiesen, um eine genauere Diagnose zu erstellen und je nach Befund eine zeitnahe Therapie zu starten. Bei akuten Notfällen kommen viele Patienten aber auch über die Notaufnahme in unsere Abteilung. Darüber hinaus bieten wir aber auch Sprechstunden in unserem Medizinischen Versorgungszentrum an, das eine Art Praxis innerhalb unseres Hospitals bildet. Patienten können also auch direkt zu uns kommen und müssen nicht unbedingt den Weg über ihren Hausarzt gehen.

 

ZUR PERSON

DR. MED. HAMED MOHSSEN ist seit Oktober 2019 Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin am Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar. Der Facharzt für Gefäß- und Allgemeinchirurgie sowie Phlebologie ist seit über 20 Jahren in Nordhessen tätig.