Es klingt ein wenig futuristisch, ist aber etwa seit dem Jahr 2000 in der medizinischen Landschaft Realität: die Video-Kapselendoskopie. Bei dem diagnostischen Verfahren wandert eine batteriebetrieben Kapsel durch den menschlichen Verdauungstrakt und sendet hochauflösende Bilder live auf einen kleinen Rekorder. Dr. Andreas Greger, Sektionsleiter der Gastroenterologie, wendet die Video-Kapselendoskopie am Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar an und gibt im Interview einige Einblicke in das Verfahren.
Es handelt sich dabei um ein spezielles Endoskopieverfahren, bei dem die Patienten eine etwa zwei Zentimeter große Video-Kapsel schlucken. Diese wandert dann durch den Magen-Darm-Trakt des Patienten und liefert Bilder aus dem Inneren des Körpers – insbesondere aus dem Dünndarm.
Der wesentliche Unterschied ist, dass mit der Kapselendoskopie eine Lücke geschlossen wird, die durch herkömmliche Verfahren routinemäßig nicht erreicht werden konnte. Bei der Magen- bzw. Darmspiegelung wird ein flexibler Schlauch eingeführt, der von oben lediglich den 12-Finger-Darm erreicht und auch von unten nur wenige Zentimeter in den Dünndarm eingeführt werden kann. Die Video-Kapselendoskopie macht es dagegen möglich, eine Bildgebung des kompletten Darms zu erhalten. Bevor der Patient jedoch eine Video-Kapsel schluckt, werden herkömmliche Magen- und Darmspiegelungen durchgeführt, weil damit bereits Vieles entdeckt werden kann. Häufige Probleme wie Blutungen oder Blutarmut klären sich schon meist mit Magen- und Darmspiegelungen, da die Ursache eher selten im Dünndarm zu finden ist, sondern im Magen oder Dickdarm. Ist dies nicht der Fall, kommt die Video-Kapsel zum Einsatz. Es handelt sich bei der Kapselendoskopie also nicht um eine Alternative zu herkömmlichen Verfahren, sondern um eine ergänzende Diagnostik.
Da eine solche Endoskopie non-invasiv durchgeführt wird, ist sie für den Patienten natürlich schonender und deutlich angenehmer. Der Patient ist weder an Schläuche noch an Geräte gebunden. Die Video-Kapsel wird geschluckt und durchwandert den Körper im Normalfall innerhalb von fünf bis zehn Stunden. In dieser Zeit kann sich der Patient ganz normal bewegen und einige Stunden nach der Einnahme der Kapsel auch normal Nahrung zu sich nehmen. Um den Darm möglichst sicher und genau beurteilen zu können, erfolgen vor der Untersuchung vergleichbare Abführmaßnahmen wie bei einer Darmspiegelung. Einfach gesagt: Der Darm sollte möglichst leer sein.
Im Grunde ja, dies geschieht jedoch im Schnelldurchlauf und nimmt normalerweise nicht mehr als eine Stunde in Anspruch. Zudem kommen bei der Auswertung des Bildmaterials Computer-Algorithmen zum Einsatz, die Auffälligkeiten wie Blutungen oder Färbungen der Schleimhäute erkennen können und uns somit unterstützen.
Wie bereits erwähnt erfolgt die Kapselendoskopie bei Anämie (Blutarmut) oder ungeklärter Blutung im Bereich des Dünndarms sowie bei chronischem Eisenmangel. Mögliche weitere Indikationen sind etwa der Nachweis einer Entzündung im Bereich des Dünndarms bei Morbus Crohn, bei unklaren Bauchschmerzen, Zöliakie, Polypenscreening bei familiären Polyposis-Syndromen wie FAP oder Peutz-Jeghers Syndrom oder bei Dünndarmtumoren.
Patienten für eine Video-Kapselendoskopie werden von ihrem Haus- oder Facharzt ins Hospital eingewiesen, damit eine genauere Diagnose erstellt werden kann. Dann machen wir meist noch einmal eine Magen- bzw. Darmspiegelung und wenn wir im Rahmen dieser Untersuchung nichts finden, kommt die Video-Kapselendoskopie zum Einsatz und der Patient wird bei uns stationär behandelt.
ZUR PERSON
DR. MED. ANDREAS GREGER wurde in München geboren und hat seine Kindheit und Jugend im Allgäu verbracht. Sein Studium absolvierte er in Magdeburg. Die vergangenen Jahre war er als Arzt bei verschiedenen Kliniken in Kassel angestellt, wo er heute noch mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt. Seine Freizeit verbringt er gerne mit seiner Familie und mit Sport – und hin und wieder vor seiner Play-Station, wenn er Zeit findet.